Jakobsweg Pfeil
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Camino Playlist – über Namen, Lieder und Menschen.

Der Camino ist die ideale Zeit, um ein wenig Ruhe ins eigene Leben zu bekommen, um sich selbst ein bißchen zu erden oder einfach, um den persönlichen Fokus neu auszurichten. Jeder geht den Camino aus anderen Gründen: manche bezeichnen sich selbst als Pilger, manche nur als Wanderer. Letztendlich ist es aber egal, ob wir den Weg aus religiösen, spirituellen, sportlichen oder sonstigen Gründen gehen – in der Gemeinschaft, die in dieser Art wirklich besonders ist, lernen wir uns nicht als den religiösen Pilger oder den sport-interessierten Wanderer kennen, sondern einfach nur als Menschen. Als Menschen mit einer ähnlichen Wellenlänge (Ausnahmen bestätigen hier die Regel!).

Die Art und Weise, wie sich die Leute auf dem Jakobsweg kennenlernen, wie sie sich hier begegenen und miteinander umgehen, ist nur schwer zu beschreiben, da sich das nicht auf das ‘echte Leben’ projizieren lässt. Wenn wir hier jemanden Neues kennenlernen, ist der Name das Erste, wonach wir uns erkundigen, dicht gefolgt von “was machst Du / wie alt bist Du / was arbeitest Du / etc.”

Jeder, der schon einmal auf dem Camino war oder eine ähnliche Reise gemacht hat, wird bestätigen, dass das dort nicht der Fall ist. Ich habe viele Menschen kennengelernt, bin über Stunden mit ihnen gelaufen und habe sie immer mal wieder getroffen, ohne viel über ihr Leben außerhalb des Caminos erfahren zu haben. Timo aus Köln, den ich vor dem Aufstieg nach La Faba kennengelernt habe, ist da ein gutes Beispiel. Ich hatte gerade die süße kleine Bar in Trabadelo verlassen (ich weiß heute noch, wie lecker dieser fair gehandelte Kaffee geschmeckt hat und wie urig es dort war) und traf auf einen leicht humpelnden jungen Mann, mit dem ich sehr schnell ins Gespräch kam. Erst einige Kilometer später, wir hatten uns schon fast in La Faba verlassen, wurde uns beiden klar, dass wir gar nicht wussten, wie wir heißen. Da laufen wir über Stunden zusammen und unterhalten uns ganz wunderbar, brauchen dafür aber gar nicht mal unsere Namen. Timo war zu diesem Zeitpunkt erst einen Tag unterwegs, ich schon fast drei Wochen – und doch ging es uns beiden ähnlich.

Wichtig sind andere Dinge.

Gleiches galt für André und Alessio – mal abgesehen davon, dass ich dank meiner anfänglichen Begleitung eher als das hässliche Entlein behandelt wurde, war es auch in den ersten ein / zwei Tagen nachdem ich besagte Begleitung in Logroño verlassen hatte so, dass ich mich zwar mit ein paar anderen Pilgern unterhalten habe, allerdings keine wirkliche Beziehung aufbauen konnte. Auf dem Weg nach Belorado habe ich mich dann aber über Stunden hinweg sowohl mit Alessio als auch mit André und Patrick unterhalten, hatte aber bis zur geselligen und weinseligen Runde am Abend keine Ahnung von ihren Namen.

Jakobsweg_Schatten
An manchen Tagen der einzige Begleiter.

Keine Ablenkung von uns.

Doch auch neben den meist wunderbaren und teilweise sonderbaren Begegnungen auf dem Jakobsweg sind es die Momente, Stunden und Tage, an denen wir mit uns alleine sind und keine Ablenkung finden. Keine Ablenkung vom Weg, vor allem aber keine Ablenkung von uns. Ich höre immer öfter von Menschen, die sich das Abenteuer des Caminos nicht zutrauen, da sie regelrecht Furcht davor haben, sich mit sich selbst konfrontieren zu müssen. Sie wissen, dass in den Momenten des Dahintrabens, des über Wege Schlurfens unweigerlich Gedanken aus verstaubten Ecken unserer Köpfe und Herzen hervorkommen, mit denen wir so auch erstmal fertig werden müssen. Das klingt panne und ist sicherlich auch für viele nicht nachvollziehbar: Da kommt es eben auch mal vor, dass eine Erkenntnis oder eine Erinnerungen einen wahren Sturm an Tränen hervorbrechen lässt, bei dem wir uns selbst nicht wiedererkennen und wir vielleicht auch erst etliche Kilometer, vielleicht auch erst Tage später verstehen, was da mit uns vorgegangen ist. Und wie dieser Moment uns vielleicht auch verändert hat.

Nicht selten kam es auf meinem Jakobsweg 2010 vor, dass ich mich zwischendurch kurz erschreckt habe, da ich nicht wußte, was ich (außer laufen) in den vergangen Minuten und Kilometern getan habe. Den eigenen Schritten zu lauschen und über Stunden hinweg nichts anderes zu hören als die Füße auf dem Schotter oder eben die eigene Stimme, wenn man mal wieder, ohne es zu bemerken, mit sich selbst geredet hat – da fällt man ziemlich schnell in eine Art Trance. Und man erschreckt sich eben, wenn man dann abrupt daraus erwacht.

Ich habe viele Pilger gesehen, die mit Ohrstöpseln unterwegs waren – kurioser Weise waren das meistens die US-Amerikaner. Wie dem auch sei, wenn es für sie in Ordnung ist, soll es das auch für mich sein. Ich selbst hatte allerdings niemals das Bedürfnis, während des Laufens Musik zu hören. Am Abend aber, wenn ich in meinem Bett lag und mich im Schlafsack eingemümmelt hatte, dann habe ich mir die Stecker in die Ohren geschoben und jeden Abend den immergleichen Songs gelauscht. Zum einen wollte ich so das Schnarchkonzert derjenigen übertönen, die vor mir ins Reich der Träume gewandert sind, zum anderen half es mir aber auch, runter zukommen und dabei die vielen Erlebnisse des Tages Revue passieren zu lassen. Meine Playlist war 2010 nicht sonderlich lang, zumindest kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich spätestens nach dem dritten Lied immer eingeschlafen bin. Aus diesem Grund sind es drei Lieder, die ich für immer mit meinem Camino verbinden werde und die daher auch in diesem Jahr wieder mit dabei sein werden:

“IZ”: Somewhere Over the Rainbow

Fleetwood Mac – Go Your Own Way

Lissie – Go Your Own Way

In diesem Jahr soll es aber nicht nur bei diesen drei Liedern bleiben, wenngleich letzteres gegen die, wie ich meine, weitaus emotionalere Version von Lissie getauscht wird. Ich fände es voll schön, Lieder von euch dabei zu haben. Daher mein Aufruf:

Schreibt mir, welche Lieder unbedingt mit müssen und auf keinen Fall in meiner Playlist fehlen dürfen. Welche Songs passen eurer Meinung nach gut in eine Playlist für meine Pilgerreise auf dem Camino de la Costa? Schreibt mir in die Kommentare, per Mail oder auf Facebook, was in meine Camino Playlist gehört!