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9. Tag laufend, Santo Domingo de la Calzada

Santo Domingo de la Calzada

Der gestrige Abend war tatsächlich äußerst kurz, habe ein Pilgermenü mit einem 80 Jahre alten Franzosen verspeist. Das Essen war eher grauenvoll, der Mann aber sehr nett. Heute wurde mir erst beim Laufen bewusst, was er mich da mit “Und was suchst Du?” gefragt hatte. Suche ich wirklich etwas? Er sei seit 80 Jahren auf der Suche, hat er gesagt.

Die Nacht war trotz der nur sechs anwesenden Mitschläfer sehr unruhig, aber noch im Dunkeln ging es heute morgen für mich los. Ich habe einen wundervollen Sonnenaufgang gesehen, und so ganz alleine ist man auf diesem Weg ja nie. Entweder vor mir oder hinter mir ist immer mindestens ein Pilger zu sehen. Und oft sind es dann auch noch bekannte Gesichter, da es eine kleine Gruppe zu sein scheint, mit der man immer wieder zusammen geht und zusammen unterkommt.

Nach den 60 km der vergangenen beiden Tage waren die 21 km heute eine wahre Wohltat, und irgendwie haben wir uns alle auch schon darüber amüsiert, dass das ja heute fast wie ein Spaziergang ist… Habe mich sehr nett mit einem älteren Ehepaar aus London unterhalten, die den Weg bis Burgos gehen und im kommenden Frühjahr vollenden werden. Sie kannten die Geschichte um unser Tagesziel noch gar nicht, sodass ich mich direkt mal als Reiseführer ausgeben konnte. Irgendwie kommt L immer wieder in jedem Gespräch auf, jeder fragt mich wo er sei und ob ich mich an diesen oder jenen Disput erinnere, ob ich dabei gewesen bin.

Nun ja, dann war ich um 12 Uhr Mittags schon am Ziel – das ist irgendwie ungewohnt. Gestern bin ich erst halb 4 eingelaufen und hatte dann kaum noch Zeit, mir die Stadt anzusehen. Ich war vorhin in der schönen Kirche der Stadt und hatte gehofft, dass der Hahn krähen würde, solange ich drinnen bin – hatter natürlich nicht, der Sack. Na toll. Also glauben wir einfach mal nicht an solche Dinge und gehen davon aus, dass mein Glück des Weges nicht von einem Federvieh abhängig ist.

Den ganzen Tag schon habe ich unheimliche Lust auf ne Pizza, und was sticht mir als erstes ins Auge, als ich meinen Stadtrundgang zum langsamen Auslaufen beginne? Zwei Lokalitäten, die Pizza anbieten. Man, hab ich mich gefreut.

Als ich dann aber entdecken musste, dass das Armband, dass der Klaus mir vor der Abreise geschenkt hat, weg ist, war es schnell vorbei mit der Freude. Ich bin mir sicher, es auf dem gesamten Weg noch am Handgelenk getragen zu haben, und hoffe, dass es nun irgendwo im Herbergszimmer ist. Ich hoffe so sehr, dass ich es morgen finden werde. Heute Nacht hatte sich der Magnetverschluss schon einmal gelöst, da habe ich es allerdings schnell im Schlafsack wieder gefunden. Hoffentlich auch diesmal.

Jetzt ist es gerade einmal 15 Uhr und ich fühle mich, als wäre es gleich schon Schlafenszeit. Morgen geht es dann nach Belorado und übermorgen sehe ich Rafael, den einen der älteren beiden Herren wieder. Hoffentlich hat er nicht zu viel versprochen, was Essen und Wein anbelangt.

Wen es von euch interessiert, hier die Höhenprofile meiner Etappen: Klick hier!

Nun ja, das wars dann erst einmal für heute. Ich hoffe, es geht euch allen gut. Ich denke sehr an euch, fühlt euch lieb umarmt!

P.s.: Am 5.11. bin ich zurück!

6 Kommentare

  1. Passend zu Filius Geburtstag, dann gibt es direkt 2 Sachen die wir feiern können. 🙂
    Viel Erfolg weiter hin!

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  2. Hallo Denise,

    auch ich verfolge deinen Blog gespannt und aufmerksam. Deine Berichte und die tollen tollen Bilder machen mir unglaublich Lust und irgendwie auch Mut, dieses Erlebnis für mich selber auch wirklich zu planen, anstatt immer nur zu sagen “ich möchte auch mal den Jakobsweg gehen”.
    Ich hoffe, dein Camino verläuft weiterhin gut, drücke dir die Daumen und freue mich über weitere Berichte und Fotos 🙂

    Liebe Grüße aus Westfalen,
    Doro
    (elbenweib ausm Lushforum)

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  3. Hallo Denise! Es ist einfach grandios, wieviel es Interessenten für künftige Jacobswegbegehungen giebt. Oder? Oder sind es ganz einfach nur die Schauspieler unserer Zeit, wie L. Es macht mich wütend und gleichzeitig traurig für Dich,Denise,, dass man, egal unter welchen Vorsatz man diese Weg geht, einfach Planung und Ziele in dieser Form entsorgt. Er ist nicht nur Schauspieler, er ist ein Schauspieler unser oberflächlichen Gegenwart!!!!!!!!!!!! Negatives belastet, lähmt und darf nicht Dein Begleiter werden. Versuche irgendwie mit anderen Menschen direkt bzw. indirekt Deinen Weg fortzusetzen. Allein sein ist manchmal angenehm und dienlich, doch denke bitte daran, Du bist kein Mensch , der sprachlos ist – Du mußt reden und Dich austauschen. Es konnten auch Streckenabschitte geben, wobei aus anderer Sicht sinvoll sein wird, nicht ganz allein zu laufen. Wir können Dir von hier aus, liebe Denise, nur einen Glücksstern schicken, der Deinen Weg begleitet. Liebe Grüße und bleib schön gesund. M +D

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  4. Hallo Denise,

    ich bin doch in Gedanken immer bei dir! Was macht da schon ein Armband aus?
    Es sind wirklich tolle Fotos, die du uns zur Verfügung stellst. Ich wär gern bei dir
    um den Weg und die Zeit mit dir zu geniessen!
    Liebe Grüße und immer einen immer fest gebundenden Wanderschuh

    Klaus

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  5. Was für ein wunderschöner Sonnenaufgang. Und das Bild mit dem Schatten finde ich auch super.

    Viele liebe Grüße,
    Elo

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