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Tag 18: Mit euch bis ans Ende der Welt!

Unser letzter Lauftag, die letzten 11 km bis nach Finisterre und später nochmal knapp 4 bis zum Kap Finisterre. Die letzten Kilometer dieses wahnsinnig besonderen, aufregenden, emotionalen, anstrengenden und bezaubernden Caminos als Familie. Die letzten Kilometer einer ganz besonderen Reise, die uns als Familie, jedem Einzelnen und vor allem den Kindern so wahnsinnig viel gebracht hat. Diese Räubertöchter sind über sich hinaus gewachsen und haben mit Riesenspaß mehr bewältigt, als jeder von ihnen gedacht oder erwartet hätte. Diese starken Mädels wissen spätestens jetzt, dass sie alles schaffen können, was sie wollen.

Die ersten Kilometer führt uns der Camino an der Promenade entlang und wir freuen uns über eine sanfte Meeresbrise und herrliche Morgenstimmung im Hafen. Als der Weg den Ausblick auf das Wasser verlässt, treffen wir auf eine geöffnete Kirche, in die die Mädels hineinstürmen und wo sie alles staunend betrachten. Sie sind fasziniert von all dem, von den Geschichten um Jesus, Jakobus – all das was für sie irgendwie greifbar und verständlich ist und sich wie spannende Märchen anhört. Sie sind begeistert von allen Figuren, gar nicht mal so schockiert von den doch brutaleren Darstellungen in spanischen Gotteshäusern und selbst als sie Jesus im Glassarg liegen sehen, sind sie einfach nur interessiert und möchten alles erklärt bekommen.

Als wir die Kirche verlassen, finden wir direkt schon den ersten Spielplatz des Tages, der erstmal ausgiebig getestet wird. Zeit für morgendliche Anrufe an die Großeltern in Deutschland und Belgien, die natürlich auch sehr stolz mitfiebern, wir ihre kleinen Mäuse das alles so meistern. Mama und Papa natürlich auch.

Als der Weg für Fußpilger zwischen zwei Mauern entlang geht und sich immer weiter verengt, kommen wir nicht weiter und würden bald stecken bleiben. Wir weichen auf die Fahrradalternative aus, die diesmal allerdings nicht viel leichter zu meistern ist. Grobe Steine, unebene Wege und enge Passagen machen Gert zu schaffen, er schafft es aber, den Croozer hinauf zu bugsieren. Ein steiles Stück noch, nachdem wir wieder auf den Fußpilger-Weg getroffen sind und wir sind oben angekommen.

Die Mädels machen mit, haben noch die Kraft des frühen Morgens und das Ende des Anstiegs ist auch bald zu sehen: “Beim weißen Haus darfst Du wieder in den Wagen!”.

Gert wird keuchend von nach Luft schnappenden Pilgern bestaunt und gefragt, wie er bitte bis hier her gekommen ist. Da sie erstmal nichts von der Fahrradalternative wissen, können sie oft gar nicht glauben, dass wir es auch bis dahin geschafft haben.

Aus dem Augenwinkel entdecke ich etwas, Gert hebt es auf und hat tatsächlich einen Pilgerausweis auf dem Boden gefunden. Der letzte Stempel ist nicht lange her, die Dame, die ihn verloren hat, kann noch nicht weit sein. Wir informieren alle, denen wir begegnen: sollte jemand von ihr hören, wissen umso mehr Menschen, dass wir den Ausweis haben. Und falls wir sie nicht finden, geben wir den Ausweis im Pilgerbüro Finisterre ab. Doch schon bald treffen wir auf eine laute und fröhliche Gruppe von vier Spanierinnen. Ich nenne den Namen, der im Ausweis steht und tatsächlich gehört sie zu ihnen, ist aber schon voraus. Sie feiern und bejubeln und beklatschen uns zum Dank!

Ein paar Kilometer an Landstraßen entlang, über Waldwege und durch duftende Eukalyptuswälder hindurch sind wir an der Stelle, an der man das Kap und die Stadt Finisterre das erste Mal so richtig aus der Nähe sieht. Ein wunderbarer Ausblick, an dem auch das Selfie zum Jahresvergleich nicht fehlen darf. 8 Jahre ist es her, dass wir hier zu zweit standen, diesmal mit zwei Räubertöchtern im Gepäck. Immer noch unglaublich.

Hey ihr beiden in 2015: stellt euch das mal vor!

Bis heute haben wir es ohne große Verletzungen geschafft, bis auf ein paar Stiche, Bisse und blaue Flecken ist eigentlich nicht viel passiert. Am letzten Tag sollte das aber noch mal anders werden. So richtig schön blöd hab ich mir in der Dusche am Morgen den kleinen Zeh gebrochen / geprellt / oder irgendwas und Gert hat bis zu dieser Stelle gewartet, um dann doch mal nicht so richtig spektakulär zu fallen.
Bergab, Schotterweg.
Auf die Knie, mit Croozer in den Händen.
Beide Kinder drin und die Landstraße keine 2 Meter entfernt.
Grad noch festgehalten.

Aber ist nochmal gut gegangen, ein großer Schreck bei allen, zum Glück nur leicht aufgeschürfte Knie bei Gert. Das erste Bier am Strand muss nicht lange auch sich warten lassen und ist spätestens jetzt mehr als verdient. Wir können uns bei dem Ausblick kaum aufraffen, die Mädels genießen es Muscheln im Sand zu suchen und die drei Amerikaner, die sich zu uns gesellen, sind angenehme Gesprächspartner. Doch es sind noch weitere 2 km bis zu unserer Pension, wir müssen durch die ganze Stadt. Dort angekommen und eingecheckt zieht es uns schnell zum Stadtstrand – der hübsche Strand ist für heute zu weit weg, da wollen wir morgen nochmal hin. Ich traue mich als einzige ins Wasser. Es ist saukalt aber was sein muss, muss sein!

Später ruhen wir uns noch ein wenig aus, und ziehen dann am Abend noch einmal mit dem Croozer los zum Kap Finisterre. Vollgepackt mit Essen und Trinken, denn wir möchten gerne dort oben picknicken und bis zum Sonnenuntergang ausharren. Falsch gedacht!

Es ist zwar wunderschön, im Gegensatz zu 2015 zeigt sich auch keine Wolke am Himmel – beste Voraussetzungen also für den Sonnenuntergang. Der Wind bläst allerdings ordentlich und so suchen wir uns ein Plätzchen im Windschatten des Leuchtturms.

Da wiederum ist es so warm und die Sonne brennt unerbittlich, dass wir es gar nicht lange aushalten. Nach dem Essen entscheiden wir uns also zum Schutz unser aller Haut und Nerven, dass wir (leider) nicht bis zum Sonnenuntergang ausharren, was sicherlich zwei bis Stunden gedauert hätte. Wir waren hier, zu viert. Das ist das Wichtigste. Beim nächsten Mal, ganz sicher wieder mit Sonnenuntergang!

Die obligatorischen Bilder am 0 km-Stein machen wir natürlich in Hülle und Fülle, nur die Kinder, nur wir, alle zusammen, mit Croozer, nur der Stein – man beachte den veränderten Stein seit 2015!

Den nächsten Tag suchen wir aufgrund der anhaltend problematisch scheinenden Bisse den Doc auf und bekommen ein Antiallergikum und Kortison-Creme verschrieben, die auch beide schnell anschlagen. Wir suchen stundenlang Muscheln am Praia da Langosteira und finden sogar ein paar kleine Jakobsmuscheln. Die Mädels freuen sich über ausgiebige Spielplatz-Zeit und wir alle über ein grandioses Essen im Hippie-Restaurant “The World Family“. Ihr seid in Finisterre und wisst nicht, wo ihr einkehren sollte? Hier auf jeden Fall und die zweite Riesen-Empfehlung ist der “Asador Criollo Los Argentinos”. Am Abend reißt der Himmel auf und wir erleben den ersten Regen in drei Wochen – was für ein Riesenglück wir mit dem Wetter hatten!

Einen Tag später reisen wir zurück nach Santiago de Compostela und verbringen hier zwei sehr entspannte Tage, die mit richtig leckerem Essen im “Mercado La Galiciana” endet (ihr müsst dahin, wenn ihr in der Stadt seid!), tollen Drinks, Spielplatz-Abenteuer, einem neuen Tattoo und tollen Spaziergängen durch ein Santiago, das sich mir endlich als wunderschön offenbart. Wir nehmen an der Pilgermesse am Pfingssonntag teil, die durch kleine Momente sehr persönlich und sehr emotional und berührend für uns war. Und wir durften den Botafumereiro schwingen sehen. Ein perfekter, ruhiger Abschluss eines großen Abenteuers!

Vielen Dank, dass ihr uns begleitet habt.
Bis zum nächsten Mal.
Buen Camino!

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