Der Weg von Villafranca del Bierzo nach La Faba war öde und langweilig. Es gab zwei Möglichkeiten, einen schönen, aber anstrengenden Weg und einen kürzeren und öden Weg. Musste mich aus Rücksicht auf mein Knie für zweiteren entscheiden und bin so die Kerkeling-Strecke der Landstraße und Autobahn entlang gegangen. Das so ziemlich den ganzen lieben langen Lauftag. So ergaben sich zwar einige Möglichkeiten, um Nachrichten zu hinterlassen, aber wirklich angenehm war es nicht, neben dem manchmal doch recht starken Verkehr zu laufen.
Zwar ist seit Kerkeling eine Abtrennung zur Straße für die Pilger aufgebaut worden, doch besser hat es das nicht wirklich gemacht. Die kleinen Dörfer, durch die es teilweise ging, waren da eine echt nette Abwechslung, vor allem die Bar, in der ich erstmal einen fair gehandelten (!) Kaffee trinken konnte. Habe dann Timo aus Köln (BVB-Fan und keine Ziege) kennengelernt und bin ein paar Kilometer mit ihm gelaufen. Er hatte gerade seinen zweiten Tag, dementsprechend haben seine Beine sich auch eher wie Pudding angefühlt. Wie schön, dass diese Zeit schon hinter mir liegt.
Da er aber weiter als ich gehen wollte, haben wir uns bald getrennt und ich habe mich alleine die letzten Kilometer auf den Oh Kriepero nach La Faba hochgequält. Ich hatte von vornherein nicht vor, den gesamten Aufstieg an einem Tag zu machen, habe mich daher in der äußerst netten schwäbischen Herberge 5 km unter der Passhöhe einquartiert. In der Bar mussten dann erst einmal Ankommensbiere her und mir wurde auf meine Bitte hin sogar die ARD im TV eingeschaltet, sodass ich zumindest die erste Halbzeit der Bundesliga im Videotext verfolgen konnte. War irgendwie ein rührendes Bild, wie diese drei spanischen alten Damen mit mir Tim Mälzer und irgendeine Doku über das “kulinarische” Amerika geguckt haben. Früh im Bett und dank Oropax einen außerordentlich guten Schlaf unter deutschen Bundeswehr-Decken gehabt.
Am Abend habe ich noch Katherina aus Deutschland in der Herberge kennengelernt, die sogar ein schwäbisches Lied gesungen und eine eigene Strophe gedichtet hat. Laut unserem Reiseführer würde einem dann nämlich die Bezahlung erlassen. Was in unserem Büchlein allerdings nicht stand ist die Vorgabe, dass man auch ein schwäbisches Landeskind dafür sein muss.
Heute morgen wurden wir dann um Punkt 7 Uhr halbwegs aus den Betten geprügelt, ich war Gott sei Dank schon wach, das wäre meiner Laune nicht sonderlich zuträglichlich gewesen. Die Wettervorhersage war für den Sonntag nicht sonderlich gut, also hatte ich mich mit Regenjacke, dicken Klamotten und Gamaschen schon auf den letzten Aufstieg und den damit höchsten Punkt des galicischen Caminos vorbereitet und es sollte mir wirklich helfen. Hatte mich mit Katherina für das erste Café verabredet, habe dort aber eine knappe Stunde auf sie gewartet. Da sie nicht kam, wird sie wohl die Regentage in der schwäbischen Unterkunft ausharren.
Bis zum O Cebreiro (Oh Kriepero) habe ich mich dann am frühen Morgen halbwegs hochgeschleppt, leider war mir weder eine gute Aussicht vergönnt noch ein Blick auf den berühmten Grenzstein zwischen der Provinz Leon und Kastillien und Galicien, da ich mich für eine falsche Strecke entschieden hatte. Auf der Passhöhe schlugen mir dann unglaublicher Nebel, Regen und Sturm entgegen, was aber eigentlich nichts ausmachte. Ab dort bis Triacastella, was etwa 25 km entfernt lag, bin ich in strömendem Regen gelaufen – und es war toll. Meine Füße blieben trocken, ich wusste, dass dem Inneren meines Rucksacks nichts passieren würde, und ich habe nur gelacht.
Ich habe lauthals gelacht, gesungen und hatte den geilsten Lauftag der vergangenen 2 1/2 Wochen. Das ist eigentlich total bescheuert, denn ich hatte schon schönere Aussichten (hier nur Nebel – etwa 1 m Sichtweite), hatte wärmeres Wetter, hatte schönere Strecken. Aber es war toll. Ich hatte einen so furchtbar tollen Tag, dass mir die 28 km über den Pass, über schlimme Anstiege, über fiese Rutschpartien bergab nichts anhaben konnten. Zwischendurch hab ich mal ein Glas Rotwein zum Aufwärmen benötigt (ich gewöhne mich einfach nicht an die Trinktemperatur der Spanier von Rotwein) und dann gings weiter. Und man überlegt sich manchmal auch, ob man die 5 Schritte um die Pfütze herum in Kauf nimmt oder doch lieber geradeaus durch watet.
Meine Füße sind bis 500 m vor der Herberge trocken geblieben, da wurden sie dann eher in einen Pool getaucht. Da ich Handy und Kamera wasserdicht verpacken musste, gibts leider auch wenige Bilder vom Tag, sitze hier eh wieder an nem hornalten PC, der keinen USB-Anschluss hat. Meinen Reiseführer und Pilgerausweis musste ich ebenfalls verpacken, sodass ich bei den ganzen kleinen Siedlungen, durch die ich kam, gar nicht wusste, wo ich war. Ob dieser Ort, vor dem ich nun stehe, wirklich Triacastella ist oder immer noch ein Dorf davor – keine Ahnung.
Aber so viele Herbergen – das musste Triacastella sein. Und tatsächlich: Eine heiße Dusche, Waschmaschine und Trockner, ein Einzelbett aus Holz (nicht quietschend) und drei Gläser Wein später sitze ich nun hier am PC, kann kostenlos ins Internet und freue mich auf morgen. Da geht es nach Sarria, das wird eine kurze Strecke, aber kurz danach kommt der berühmt-berüchtigte 100 km-Stein, und der will natürlich mit einem frischen Lauftag gebührend gefeiert werden.
Was es aber Neues gibt: Ich habe meine Pläne für das Ende meines Caminos heute Nacht komplett umgeworfen. Ich werde nicht nach Finisterre mit dem Bus fahren. Ich werde nächsten Samstag oder Sonntag in Santiago de Compostela ankommen. Werde ankommen. Will ankommen. Ankommen.
In die Messe gehen. Mir meine Compostela holen. Ivar besuchen. Und dringende Einkäufe (für alle, die Kerkeling gelesen haben: 3 Glöckchen) tätigen. Am Montag werde ich aber mit dem Bus zurück dorthin fahren, wo ich mich gerade befinde: nach Triacastella.
Hier werde ich André und Alessio wieder treffen, drei Tage mit ihnen verbringen und weiterlaufen und dann am Donnerstag nachmittag mit dem Bus zurück nach Santiago fahren. Dort verbringe ich dann eine Nacht und fahre am Morgen dann zum Flughafen.
Es war so wundervoll, als ich noch mit den anderen unterwegs war, tagsüber alleine zu laufen, jeder geht sein eigenes Tempo, seinen eigenen Camino, und doch finden abends immer wieder alle zusammen. Diese drei Tage mit André und Alessio werden der Abend meines Caminos sein. Und ich freue mich so sehr darauf. Die beiden wieder zu sehen bedeutet mir soviel mehr als der Weg nach Finisterre.
Die Meseta, die ich mit dem Bus überbrückt habe, muss ich ja eh noch einmal nachholen. Dann kann ich da auch Finisterre nachholen!
Seid gegrüßt, ihr Nicht-Laufenden und Laufenden. Fühlt euch gedrückt, geküsst und geliebt.
Eure
Heidi von der Alm.
Schön,dass sich das Lauf-Blatt seit vorgestern so gewendet hat!
Weiterhin alles Liebe!
Deine heutige Etappe hat mich stark an meine eigene Etappe nach Carrión de los Condes erinnert.
Weil wir schon am Vortag aufgrund des Regens Unmengen von Lehm umgeschichtet haben sind wir fast 20 km entlang der Strasse auf einer “Pilgerautobahn” gelaufen. Es hat nur geregnet, es war kalt und der Wind blies in Böen von der Seite in meinen Poncho. Und ich stecke darunter, war trocken und fühle mich einfach nur sauwohl, hörte dem Regen zu wie er gegen meinen Ponco prasselte und dabei meine Gedanken auf Reisen schickte. Ich kann es auch nicht wirklich jemandem erklären warum, aber es war eine der schönsten Etappen meines Caminos.
Ich wünsche dir weiterhin noch mehr von diesen seltsamen? ungewöhnlichen? magischen?Momenten.
Buen Camino
Thomas
Hallo Denise,
Es geht dir wieder gut! Und wie!!! Gesungen und gelachen unterwegs! Und das allem im regen!
Fantastisch! Geniess noch Denise!
Liebe gruesse aus Holland