Noch sind es 261 Tage, bis unser großes Abenteuer startet, doch so richtig begonnen hat es schon. Mit der Entscheidung, unseren Mädels zu zeigen, wo sich Mama und Papa kennengelernt haben. Dieses Vorhaben ist so groß und strahlend und die Vorstellung, wieder zurück sein auf dem Weg, diesmal als Team Bos, erfüllt uns so sehr und lässt die Herzen hüpfen. Man sagt ja, der Weg beginnt schon vor dem eigentlichen ersten Schritt.
Ja, zugegeben: Wir sind ein wenig bekloppt. Es ist noch über ein halbes Jahr hin, doch konnten wir uns in unserer Vorfreude nicht zurückhalten oder gar stoppen. Wir haben bereits die Rucksäcke und Utensilien aus der Versenkung geholt, die Schlafsäcke der Kinder haben wir bereits geshoppt und die Pilgerpässe, die Credenciales del peregrino, wurden uns schon aus Spanien zugesandt. Die aktuellste Ausgabe des Jakobsweg-Reiseführers* wurde durchforstet, um potentielle Herbergen und Pensionen zu recherchieren. Mit Kindern können, oder besser wollen wir eben nicht in großen Schlafsälen nächtigen, sondern müssen Alternativen finden, denen es aber nicht am Albergue-Feeling mangelt. Da haben wir auf dem Camino Francés aber Glück, denn die Zahl an Unterkünften ist hier im Vergleich zu anderen Caminos größer und viele von ihnen bieten Privatzimmer oder kleinere Schlafsäle an, die wir dann für uns haben.
In den vergangenen 5 Jahren kam der Wunsch, den Jakobsweg mit Kindern zu gehen immer wieder auf, war bis jetzt aber nie mehr als nur der ausgesprochene Wunsch. Seit wenigen Wochen ist der Camino Ruf aber immer lauter geworden, sodass wir ihn nicht mehr überhören konnten und die Entscheidung schnell getroffen war. Nun ist es nicht mehr nur dahingeredet, nun wird wahr, was die hiesige Presse zu Beginn des Jahres über uns berichtet hat: wir werden unseren Kindern den Camino zeigen – den Ort, wo alles begann.
Die Räubertöchter freuen sich schon sehr, obwohl ihnen natürlich nicht klar ist, welch ein Abenteuer da vor uns liegt. Unsere Begeisterung schwappt auf sie über: Jedes Bild oder Video, das wir gemeinsam ansehen, macht sie ganz aufgeregt und die Vorstellung jede Nacht woanders zu übernachten lässt die Augen ganz groß werden. Sicher, es ist kein Chill-Urlaub, sondern etwas ganz besonderes. Sie werden so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft mit einer Vielfalt an Sprachen kennenlernen, sie werden den Geist des Caminos erleben und werden ganz sicher viel Spaß haben! Wenn wir die Große während eines Spaziergangs fragen, ob sie noch kann, erhalten wir die Antwort “Na klar, ich muss doch üben!”
Wir reisen mit einem Croozer Jogger: Wenn sie nicht mehr laufen möchten oder können, sitzen sie eben dort drin – das macht die ganze Geschichte für Mama und Papa natürlich anstrengender, aber das ist die beste Lösung, zumal sich so das Gepäck auch noch anders als nur im Rucksack auf dem Rücken transportieren lässt. Der Weg mit Gefährt stellt uns wiederum vor einige Schwierigkeiten, die sich aber im wahrsten Sinne umkurven lassen. Einige Teilstücke sind nur schwer oder gar nicht mit dem Doppelsitzer zu meistern – in diesen Fällen werden wir auf die Fahrrad-Alternativroute ausweichen. Notfalls muss der Croozer über Hindernisse getragen werden oder gleichzeitig gezogen und geschoben. Wir werden immer ein Weg finden.
Drei Wochen werden wir im kommenden Jahr Zeit haben, um von Astorga bis ans Ende der Welt zu laufen. Eine Strecke, die für mich auch eine Bedeutung hat: auf meinem Jakobsweg 2010 bin ich von Roncesvalles bis Burgos gelaufen, um von dort zeitbedingt die Meseta mit dem Bus zu überbrücken und ab Astorga bis Santiago de Compostela zu laufen. Die Strecke ab Astorga verbinde ich damit, dass ich meine damalige Camino-Family zurück lassen musste und von da an wieder alleine unterwegs war.
2023 wird sich das ändern: ich werde ihn mit meiner wahren Camino-Family gehen!