Nach einer dank Ohropax durchschlafenen Nacht haben wir uns stressfrei unter freiem Himmel ein Frühstück bereitet, bevor es an das Erklimmen des Alto de Perdon ging. Zwei ältere deutsche Damen mussten beim Aufstieg zugeben, dass ich doch recht hatte, als ich ihnen angekündigt hatte, dass es dieser Berg sehr wohl in sich hat. Wir haben es dann doch alle geschafft, spannend für mich war und ist es, den Weg mit ganz anderen Verhältnissen bzgl. Klima, Vegetation und Boden zu erleben.
Letztes Jahr hieß es für diesen Anstieg, im Schlamm einen Schritt zu gehen und zwei zurück zu rutschen. Diesmal war er einfach nur ermüdend, war aber durch nicht vorhandenen Regen, einen weitaus besseren Gemütszustand meinerseits und viele Farben am Wegesrand ein ganz besonderes Erlebnis. Der Abstieg auf Geröll hat meinen Knie außerordentlich zugesetzt, schön ist sicherlich anders. Meine entzündeten Knöchel, Waden und Schienbeine machen keinen Spaß, ich muss sie ein wenig vor der Sonne schützen und toll sieht’s eh nicht aus.
Einen Teil des Weges sind wir wieder mit Jean Marie gelaufen, der für sein Alter ein beneidenswertes Lauftempo und einen erschreckend gute Ausdauer hat. Nach sich ziemlich ziehenden letzten Kilometeren, auf denen wir eine Gruppe Pseudo-Pilger aus der Bretagne kennengelernt haben, über die sich Andre und Jean Marie gerne auslassen wollten und konnten, sind wir in der Stadt Puente la Reina angekommen und sind direkt in der Albergue abgestiegen, die Rafael uns letztes Jahr schon empfohlen hatte. Sie wurde seitdem noch erheblich ausgebaut, sodass wir ein Zimmer für uns Vier mit eigener Dusche und Toilette bekamen. Da hier aber für die weiblichen Pilger Hydromassage-Duschen vorhanden sind, wollte ich mir dies natürlich nicht entgehen lassen.
Ein paar Getränke auf dem örtlichen Dorfplatz inklusive Tapas-Verköstigung und ein vorzügliches Abendessen mit einen unglaublich leckeren Wein aus der Nachbarstadt Obanos, ein Brandy zum Abschluss und einem guten Schlaf stand nichts mehr im Wege.
Christian laboriert noch an seinen Blasen, wenngleich sich deren Zustand seit der professionellen Behandlung in Cizur Menor enorm verbessert hat. Er führt unsere kleine Wandergruppe jeden Tag an und legt ein tolles Tempo vor.
Manu hat Spaß am Laufen und am Leben hier, genießt die Zeit in vollen Zügen und ist bis auf die nicht ausbleibende Erschöpfung kerngesund.
André geht es super, er ist natürlich jeden Abend geschafft wie wir alle, doch zeigen sich keinen Probleme mit dem Knie. Er genießt es sehr, diesen Weg nun bewusst gehen zu können und sich dabei weder stressen noch hetzen zu müssen.
Ich habe bei Abstiegen arge Knieprobleme, meine Fußkrämpfe hat Ibuprofen besiegt, nur meine Hautentzündung nervt sehr, weil sie einfach scheiße aussieht. Ich fühle mich aber wohl und glücklich, mit diesen drei geliebten Menschen den Camino gehen zu dürfen, erlebe ihn neu und bin sehr dankbar. Es ist schon erstaunlich, wie genau ich mich an alles vom letzten Jahr erinnere, welche Wege wie verlaufen, was ich damals an dieser und jener Stelle gedacht habe.
Liebste Grüße von uns an alle geliebten Menschen!