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Tag 3: Auf zum höchsten Punkt

Da uns heute eine recht kurze Etappe bevorstand, wollten wir es in jeglicher Hinsicht gemächlich angehen: Der Plan lautete eigentlich, so lang wie möglich zu schlafen, die Albergue als letztes zu verlassen, gemütlich zu frühstücken und die nicht mal 6 km in aller Ruhe zu wandern.

Der Plan klang aber auch zu gut. Mehr oder weniger sind wir zwar alle ins Koma gefallen nach einem ersten kräftezehrenden Lauftag, allerdings war das Zimmer neben Toilette und Dusche nicht sonderlich geräuscharm, weshalb eine lange Nacht nicht möglich war. Ab 3 Uhr polterten die ersten Pilger im Bad, bei dem Türenknallen war an erholsamen Schlaf nicht mehr zu denken.

Nun denn. Langsam richtig wach werden, das Chaos lichten und in die Rucksäcke verpacken, den Croozer aus dem Fahrradschuppen befreien und auf zum ersten Café von Leche des Caminos. Frisch gestärkt starten wir Hand in Hand, bald muss auch die Zugleine zum Einsatz kommen und wir machen so noch mehr auf uns aufmerksam als sonst schon. 😉

Wir lernen Bernhard aus Österreich kennen, der uns ein paar Schritte begleitet und sich angeregt mit der Räubertochter unterhält. Die Räubertöchter erfreuen viele Pilger mit lauten „Bueeeeeeeen Caminooooooo!“ Rufen – gerne auch mehrfach entsprechend der Anzahl an Menschen einer Gruppe. Wir ernten Strahlen, Lachen, Fotoanfragen und immer wieder hören wir Worte wie „Wie süss, wie lieb, wie toll ihr das macht!“ in allen erdenklichen Sprachen. Diese Mädels sind jetzt schon Superstars dieses Jakobsweges!

Als der Weg für den Croozer nicht mehr nutzbar ist – es wäre nicht nur zu anstrengend, ihn hierüber zu manövrieren, sondern auch zu gefährlich für die Reifen – teilen wir uns auf. Gert fährt mit der Mini-Räubertochter im Wagen die Straße entlang, die Maxi-Räubertochter und ich laufen den eigentlichen Camino weiter. Ich bin mega stolz auf sie, wie sie mit großem Spaß und Aufregung jeglichem Untergrund trotzt, sich darüber freut, mit mir zu laufen und dass sie auch richtig stolz auf sich selbst dabei ist. Mehrfach erzähle ich im Kopf meinem alleine laufenden 2010-Ich, wie ich heute mit meiner Tochter hier entlang wandere.

Die restlichen Meter laufen wir wieder alle zusammen und kommen in Foncebadón an. Weshalb wir heute nur 6 km gelaufen sind? Nach 20 km am ersten Tag ist ein solcher eine Wohltat. Ich wollte aber auch unbedingt in Foncebadón übernachten, wollte unbedingt wieder hier sein und am liebsten sogar Sonnenuntergang und -aufgang erleben. Ich war hier 2010, habe mich damals zwar allein gefühlt, da ich tags zuvor meine Camino-Family verlassen musste, habe mich hier aber gleichzeitig unglaublich wohl fühlt. Und jetzt bin ich mit meiner Familie hier.

In diesen 13 Jahren hat sich hier unglaublich viel getan, das Dorf hat sich ein wenig gemausert, hat aber von seinem Charme nichts eingebüßt. Ich bin froh, dass wir uns entschieden haben, hier zu halten. So haben wir die Möglichkeit morgen zum Sonnenaufgang loszugehen und zu dieser besonderen Zeit am Cruz de Ferro anzukommen. Wir freuen uns sehr drauf.
Morgen wird lang.
Das wird ein Spaß!

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