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Tag 6: Die Ruhe vor dem Aufstieg

Schon Hape Kerkeling hat die heute zu bewältigende Strecke als quälend und eintönig beschrieben und daran hat sich in den über 20 Jahren auch nichts geändert. Das einzige, was seit seinem Weg hier neu ist, ist die Trennwand aus Beton, die die auf dem Gehweg dahin schleichenden Pilger vor rasanten Autofahrern schützt. Kein Grund also mehr, den Wanderstock zum persönlichen Schutz auszufahren.

Was sicher aber nicht geändert hat, ist die langweilige Strecke. Wir verlassen Villafranca del Bierzo in der Hoffnung, im nächsten Dorf nach rund 5km einen ersten Kaffee zu bekommen und lassen daher zwei geöffnete Cafés links liegen. Großer Fehler.

Auf den ersten Kiometern aus der Stadt heraus werden wir vor einem Pärchen angesprochen, das seit geraumer Zeit hinter uns läuft und uns bittet anzuhalten. Unsere Doppelbeflaggung hat es nicht in Ruhe gelassen: „Tschuldigung, ich bin doch nicht verrückt: Das sind doch 2 Flaggen oder? Meine Freundin wills mir einfach nicht glauben.“ Die deutsch-belgische Beflaggung zieht die Blicke schon an.

Die nächsten Kilometer sind an Eintönigkeit kaum zu überbieten, der schmale Seitenstreifen der Landstraße ist eine Art Rennstrecke für Pilger – mal überholt man sich, mal fällt der eine zurück, mal spurtet der andere wieder los. Bis zum ersten Dorf, als wir endlich abbiegen dürfen, gibt es hier keine Abwechslung. Wir erreichen das erste Dorf, in dem es wohl eine Bar geben soll, aber wie soll es sein (vermutlich der Corona-Zeit geschuldet) ist die Bar geschlossen. Das kollektive Seufzen durstiger Pilger ist zu vernehmen und es gilt weitere 5 km hinter uns zu bringen bis zur nächsten möglichen Kaffee-Quelle.

Die hat dann zum Glück geöffnet, wir werden mit herzlichem Lächeln und Staunen begrüßt – alles wie immer halt. 😉

Nach der Stärkung verschwinden die Mädels wieder im Croozer, Landstraße und Langeweile passen heute nicht gut zusammen, da wird tatsächlich nur in den Dörfern gelaufen und dazwischen machen Mama und Papa Kilometer.

In Vega de Valcarce machen wir unsere letzte Pause und erleben eine tolle Überraschung. Gerade als wir langsam wieder aufbrechen wollen nach einem Drink und Eis teilt uns die Kellnerin mit, dass der Herr, der gerade in sein Auto steigt und kommentarlos weg fährt für uns bezahlt hat. Ohne Hallo, ohne Begründung, einfach so. Ich bin ehrlich gerührt und kann es noch gar nicht glauben.

An gleicher Stelle unterhalten wir uns mit einer netten Pilgerin, die uns mitteilt, dass sie zu einer Gruppe von 12 gehört, die in der gleichen kleinen Albergue Miriam in Las Herrerias wie wir unterkommen. Das ist unser Startschuss, die letzten Kilometer straff durchzuziehen, denn nach einem solchen Tag möchte keiner von uns darauf warten, bis 12 andere mit duschen fertig sind. Unser Ziel: vor denen da sein!

Und das schaffen wir. Wir kommen geschafft aber glücklich an und finden uns in einer überaus charmanten Herberge wieder, in der wir 1 2-Bett und ein 3-Bett-Zimmer für uns alleine haben. Wir richten uns ein, erkunden das Dorf und treffen später noch Bernhard wieder, mit dem wir zu Abend essen. Ein schöner Ausklang – wir verabreden uns noch locker für morgen, was der letzte Tag sein wird, an dem wir uns sehen werden und fallen geschafft ins Bett.

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